Junger Rat des Gorki Forum

Werk

Labor Desintegration

Im November 2016 ist der Junge Rat zusammengetreten, um Berlin zu retten. Oder das Theater. Oder die Welt? Nach einer Recherchereise durch das Gorki geht der Junge Rat im Labor Desintegration in fünf Versuchseinheiten der Frage nach: "Ist eine andere Welt möglich?" Besucher*innen sind eingeladen, den Klub der Aktivistin zu betreten und Teil des Versuchslabors zu werden.

Leitung: Max Czollek & Esra Kücük
 
Versuchslabor 1: „Damit wir die Wolken nicht berühren“ – Klang- und Videoinstallation
Wer behauptet, Literatur bilde das Leben ab, liegt falsch; wer aber behauptet, sie sei das Dokument eines Überlebens, hätte nicht Unrecht. Denn Widerstand ist womöglich einer ihrer ersten Reflexe und wird beim Schreiben im Angesicht der Gewalt sichtbar. Das Schreiben gegen die Unmenschlichkeit und das Unmenschlichwerden in der Einsamkeit und Entbehrung des Gefängnisses sind Thema dieses Projektes. Die Auszüge aus den Gefängnisbriefen stehen für 100 Jahre Einsamkeit zwischen 1917 und 2017. Der Junge Rat liest am Sehnsuchtsort jedes Gefangenen, der hier zur Sprache kommt: im unendlichen Raum der Natur als dem Gegenort zu den allzu menschlichen Gemäuern des Gefängnisses.

Versuchslabor 2: Die sprechende Masse – physikalisch-akustisches Labor
Laut Duden ist Populismus eine "von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen [...] zu gewinnen”. Wer oder was ist diese Masse, und welche Aussagen können wir über sie treffen? Ist das Ganze mehr als die Summe seiner Elemente?
Angesichts immer stärker nationalisierter Gesellschaften und zunehmender Mobilisierungskraft radikaler politischer Gruppierungen geht der Junge Rat Fragen zur Struktur und Dynamik menschlichen Zusammenseins nach. Die dabei entstandene Installationsarbeit – zum Ansehen, Anhören und Anfassen – erkundet unter Zuhilfenahme zweier Grundwerke der Massenpsychologie und -anthropologie von Gustave Le Bon und Elias Canetti die fließende Grenze zwischen Kollektiv und Individuum und erkundet das Wesen von Macht.

Versuchslabor 3: Die Schreibwerkstatt – Lesung der Teilnehmenden
Wer darf schreiben? Welche Perspektiven werden gehört? Die gemeinsame literarische Praxis diente in den vergangenen Monaten einer Auseinandersetzung und Reflexion unserer gemeinsamen Arbeit. Sie führte uns auch zu Texten und Autor*innen, von denen wir zu wenig oder schon viel zu lange nichts mehr gelesen hatten. Für den Herbstsalon haben wir ein Leseformat entwickelt, welches die unterschiedlichen Stimmen hörbar neben die Stimmen des Jungen Rates stellt. Denn wenn das Ziel ist, eine Haltung zu beziehen, dann muss es ebenso Ziel sein, diese Haltung nicht exklusiv, sondern im Bündnis mit anderen Perspektiven zu formulieren.

Versuchslabor 4: Fragen zur Utopie – Videoperformance
Im Fragenkatalog Hass & Utopie sammelt der Junge Rat Suggestivfragen, die die Fantasie des Fragenden anregen sollen. Mit der interaktiven Versuchsanordnung „Was hasst du eigentlich?“ versuchen wir, uns auf spielerische Weise lebenswichtigen Komplexen wie Hass oder Utopie anzunähern. Während des Herbstsalons wird das Interviewteam des Jungen Rats durch das Kronprinzenpalais streifen und Menschen mit diesen Fragen konfrontieren. Ihre Antworten sind live zu sehen im Klub der Aktivistin.

Versuchslabor 5: Werkstattgespräch zum Labor Desintegration
Der Junge Rat war ein Experiment, um rund 100 Jahre nach der Oktoberrevolution über die Bedeutung von Revolution und Veränderung, digitaler und analoger Politik und Kunst nachzudenken. Wären wir eine „Post-Migrantische Berliner Internationale“, was würden wir fordern? Wo würden wir ansetzen, um das System aus den Angeln zu heben? Im Werkstattgespräch lädt der Junge Rat Interessierte ein, über ihre einjährige Recherche-, Denk- und Diskussionsarbeit zum Thema „Desintegration“ zu sprechen.

Der Junge Rat ist ein Projekt des Maxim Gorki Theaters in Zusammenarbeit mit der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa und gefördert aus Mitteln der Bundeszentrale für Politische Bildung

Victoria Alexiev, Studentin Fashion und Design Management, geboren 1991 in Halle (Saale), aufgewachsen in Hamburg. Lebt und arbeitet in Mailand.

Andrea Heilrath, geboren 1991. Lebt und arbeitet in Berlin (Physik, Wissenschaftskommunikation, Kunst).

Lili Horváth, geboren 1991 in Ungarn. M.A. der Politikwissenschaften und Kulturmanagement. Betreut internationale künstlerische Projekte am Collegium Hungaricum Berlin.

Martina Poljak, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin, geboren 1988 in Zagreb, Kroatien. Lebt und arbeitet zwischen Zagreb, Wien und Berlin.

Chantal Süss, geboren, primär Mensch, lebt in Berlin.

Beliban zu Stolberg ist Drehbuchstudentin und liebt das bewegte Bild genauso wie Texte jeglicher Gattung.